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30 Jahre Protesttag – und nun?

Am 5. Mai 1992 wurde erstmals der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Beein­trächtigung ins Leben gerufen. Seither hat sich vieles verbessert. Oder?

Sozialgesetzbuch IX, Behindertengleichstellungsgesetz, UN-Behindertenrechtskonvention: Gesetze zur Gleich-stellung gibt es seit Start des Protesttages inzwischen viele. Dennoch ist das Ziel einer wirklich inklusiven Gesellschaft noch lange nicht erreicht. Zu oft werden Menschen mit Beeinträchtigung von der Teilhabe ausgeschlossen. Informationen in Leichter Sprache? An vielen Stellen Fehlanzeige. Als Rollstuhlfahrer*in spontan einen Zug benutzen? Leider nicht möglich. Als Kind mit Förderbedarf einen Schulplatz an einer Regelschule bekommen? Große Überforderung. Oder wie wäre es mit einem Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt? „Tut mir leid, Sie sind nicht produktiv genug.“

Begegnung und Austausch als Schlüssel zur Inklusion

Damit sich wirklich etwas verändert, braucht es mehr als gesetzliche Änderungen. Es braucht Bewusst­seinsbildung, es braucht Austausch und es braucht Begegnungen. Das kann nicht funktionieren, wenn Menschen mit Beeinträchtigung weiterhin an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden – und das nicht nur sprichwörtlich. Über Jahrzehnte wurden separate Räume für diesen Personenkreis geschaffen: eigene Wohnangebote, eigene Kindergärten, Schulen und letztlich natürlich auch die Werkstätten. Dies geschah aus der Not heraus, überhaupt erstmal Angebote für Förderung, Unterstützung und Arbeit zu schaffen. So entstanden auch Unternehmen wie die Lebenshilfe Celle gGmbH. Seit vielen Jahren geht der Ansatz nun jedoch hin zur sogenannten Sozialraumorientierung. Menschen mit Beeinträchtigung sollen Zugang zu allen Bereichen des Lebens finden. Frei nach dem Motto: Mittendrin statt nur dabei. So setzt sich die Lebenshilfe zum Beispiel im Rahmen des sogenannten Budgets für Arbeit dafür ein, Menschen mit Beeinträchtigung sozialversicherungspflichtige Arbeitsangebote auf dem 1. Arbeitsmarkt zu ermög­lichen und dabei trotzdem die Unterstützung zu erhalten, die sie ggf. benötigen.

Inklusives Lernen in Garßen, Nienhagen und Bergen

Auch im Bereich Bildung tut sich im Landkreis einiges: Schon lange kooperiert beispielsweise die Comenius-Schule (anerkannte Tagesbildungsstätte) in Garßen mit der Grundschule Adelheidsdorf und der Blumläger Schule, damit Kinder mit und ohne Beeinträchtigung gemeinsam lernen können. Nun gibt es weitere Planungen, Angebote für alle zu schaffen: Neben dem Bau der Integrativen Kita „GartenKinder“ in Nienhagen, möchte die Lebenshilfe Celle die Kooperative Kita Lukenstraße in Bergen übernehmen. In dem Gebäude, das bereits zur Hälfte der Lebenshilfe gehört, wird eine Heilpädagogische Kleingruppe mit 7 Kindern mit Beeinträchtigung betreut, während sich in der anderen Hälfte eine Regel­gruppe der Stadt Bergen befindet. Geplant ist nun, hier ab dem neuen Kindergartenjahr Kinder mit und ohne Beeinträchtigung in enger Kooperation zu begleiten. Vor allem in den Bereichen Musik, Psychomotorik oder Vorschularbeit, aber auch bei Festen und Outdoor-Aktivitäten kann und soll zusammengearbeitet werden. Gemeinsame Mahlzeiten und Projekte runden das Konzept ab. So werden Brücken gebaut und Barrieren im Kopf beseitigt – und vielleicht ist ein Protesttag wie der 5. Mai dann irgendwann gar nicht mehr nötig.


Vielen Dank für die Veröffentlichung!

Celle Heute

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